Berit Haas, Leiterin der Adoptionsvermittlungsstelle Eltern-Kind-Brücke e.V. in Heidelberg

Adoption und Auslandsadoption

Geschäftsführerin Berit Haas beantwortet die wichtigsten Fragen zu Abläufen und Möglichkeiten bei Adoption und Pflegeelternschaft

Zum Thema “Eltern werden und Eltern sein” kommen oft ganz neue Fragen auf und plötzlich beschäftigen Dich Themen, an die Du vorher niemals gedacht hättest. Das ist eine aufregende Zeit, aber wir verstehen auch, wenn Dir irgendwann der Kopf brummt! Wir bei LILLYDOO wissen, dass es viele verschiedene, bunte und individuelle Familienformen gibt. Uns liegen sie alle am Herzen. Egal wie Du Dein ganz persönliches Familienglück gestaltest, es kann nie schaden, einen Expertinnen- oder Expertenrat zu hören. Auch dafür soll diese Kolumne ein Ort sein.

Hat ein Paar einen unerfüllten Kinderwunsch, gibt es neben der künstlichen Befruchtung eine weitere Alternative: die Aufnahme eines Pflege- oder Adoptivkindes. Berit Haas ist Leiterin der Adoptionsvermittlungsstelle Eltern-Kind-Brücke e.V. in Heidelberg und hat selbst drei Adoptivkinder und ein Pflegekind. Sie beantwortet in diesem Artikel die wichtigsten Fragen rund um den Adoptionsprozess.

Adoption und Pflegeelternschaft

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Pflege- und einem Adoptivkind?

Eltern, die ein Pflegekind aufnehmen, schließen mit dem Staat einen Vertrag über einen Erziehungsauftrag. Sie haben Elternpflichten, die Rechte liegen aber bei den leiblichen Eltern oder beim Jugendamt oder dem Amtsvormund, falls das Sorgerecht entzogen wurde. Die leiblichen Eltern haben dabei immer ein Recht auf Umgang und auf Rückführung des Kindes. Die Aufnahme von Pflegekindern in einer Pflegefamilie geschieht zwar immer zum Wohl des Kindes, aber leider oft nicht mit Zustimmung der leiblichen Eltern – da kann es auch mal zu Konflikten kommen. Dafür trägt hier aber auch der Staat einen Teil der Verantwortung und muss eingreifen, wenn es Probleme in der Pflegefamilie gibt.

Anders sieht es bei der Adoption aus. Adoptivkinder sind leiblichen Kindern gleichgestellt, die Eltern haben volle Elternrechte in allen Bereichen. Das Kind bleibt ihr Kind, das ganze Leben lang. Das bringt für die Kinder und die ganze Familie viel emotionale Sicherheit, da die Familienkonstellation dauerhaft ist.

Der Bewerbungsprozess

Was müssen Eltern tun, um sich für eine Adoption zu bewerben?

In beiden Fällen (Bewerbung als Pflegefamilie und als Adoptiveltern) müssen sie beim Jugendamt einen Antrag stellen. Dann steht erstmal einiges an Papierkram an. Folgende Unterlagen werden benötigt:

  • Lebensläufe

  • Nachweise über Verdienst, Vermögen und eventuelle Schulden

  • Identitätsnachweise wie Personalausweis oder Reisepass

  • Geburtsurkunden

  • Meldebescheinigungen und erweiterte Führungszeugnisse

  • Gesundheitszeugnisse und ärztliche Bescheinigungen

  • Eheurkunde oder Lebenspartnerschaftsurkunde

Außerdem wird in Gesprächen mit Fachkräften das Lebensumfeld des Paares besprochen. Dabei geht es unter anderem um den familiären Hintergrund, die Vernetzung in der Arbeitswelt und in der Nachbarschaft sowie die Vorstellungen von Erziehung. Dann muss das Paar Seminare und Kurse zum Alltag und den Herausforderungen mit Adoptivkind besuchen.

Der Ablauf der Adoption

Wie läuft die Adoption eines Kindes ab?

Zuerst ist wichtig zu wissen, dass es verschiedene Formen der Adoptionsfreigabe gibt, die regeln, wie das Verhältnis zwischen leiblicher und Adoptivfamilie aussieht:

  • Die Inkognitoadoption: Hierbei bleibt die leibliche Mutter anonym, die leibliche Mutter und die Adoptivfamilie nehmen niemals Kontakt zueinander auf. Das Kind hat mit 18 Jahren zwar das Recht auf Akteneinsicht beim Jugendamt, hat die leibliche Mutter allerdings keine oder falsche Daten hinterlassen, ist die Kontaktaufnahme oft unmöglich.

  • Die vertrauliche Adoption: Hierbei werden die Daten der Mutter gespeichert, bleiben jedoch bis zum 18. Geburtstag des Kindes unter Verschluss.

  • Die halboffene Adoption: Hierbei können die Adoptiveltern über die Adoptionsvermittlungsstelle Kontakt zur leiblichen Mutter aufnehmen.

  • Die offene Adoption: Hierbei kennen sich die leibliche und die Adoptivfamilie und haben gegebenenfalls sogar regelmäßigen Kontakt.

In Deutschland gibt es abgesehen von Verwandtenadoptionen nur noch selten klassische Inlandsadoptionen. Sie kommen oft dann zustande, wenn die Schwangere zu spät bemerkt, dass sie schwanger ist, oder wenn von vorne herein klar ist, dass ein Abbruch nicht in Frage kommt. Die Entscheidung, ein Kind zur Adoption freizugeben, ist in der Regel sehr gut überlegt und über Monate reflektiert.

Wichtig ist eine gute und intensive Betreuung der abgebenden Mutter und das Bewusst machen, dass sie immer Mutter bleibt und später für das Kind wichtig sein wird. Diese Betreuung erfolgt durch Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter des Jugendamts, auf Anfrage der abgebenden Mutter. Das stellt leider oft eine Hürde dar, denn in den ersten Wochen möchten erfahrungsgemäß viele Mütter alle Gefühle verdrängen. Irgendwann kommen die Gedanken und Sorgen aber zurück und dann Gesprächspartner zu suchen, ist bestimmt schwierig – erst recht, wenn die einzige Option das Jugendamt ist. Hier wäre ein zusätzliches niederschwelliges Angebot von Gesprächspartnern, auch durch freie Träger, wichtig.

Adoptionsfreigabe kann eine Entlastung und Lösung eines großen Problems sein, aber leibliche Mutter und Kind bleiben trotzdem immer verbunden. Denn beide Seiten werden dieses Ereignis nicht vergessen und im Laufe der Jahre immer wieder daran denken, wie es dem jeweils anderen wohl gerade geht. Schön ist es, wenn dann zwischen den Familien eine lockere Verbindung besteht und Fragen geklärt werden können (halboffene und offene Adoption). Auch hier ist eine fortlaufende Betreuung der Familie wichtig, denn auch für die Adoptiveltern ist das oft eine herausfordernde Situation.

Die Auslandsadoption

Gibt es Alternativen zur Adoption innerhalb Deutschlands, wenn es dort so wenige Adoptivkinder gibt?

Ja. Die Auslandsadoption ist inzwischen für viele Paare zur Alternative geworden, auch weil dort die Altersgrenzen für Bewerberinnen und Bewerber etwas höher sind. Offiziell gibt es zwar auch in Deutschland keine Altersgrenze, aber da es in Deutschland zu viele Bewerberpaare gibt (oft kommt ein Kind auf zehn bis fünfzehn potentielle Adoptiveltern), setzen hier viele Jugendämter ihr eigenes Höchstalter für Bewerberpaare fest.

Im Ausland ist das Verhältnis ausgeglichener, allerdings kommen aus dem Ausland auch kaum noch Säuglinge. Das Mindestalter der Kinder aus den meisten für Adoption offenen Ländern liegt bei etwa zwei bis drei Jahren.
Zunächst muss nämlich nachgewiesen werden, dass keine Verwandten das Kind aufnehmen möchten und dass auch kein lokales, regionales und überregionales Ehepaar das Kind adoptieren möchte. Erst wenn all diese Möglichkeiten nacheinander geprüft wurden, kann das Kind nach Deutschland vermittelt werden – das dauert natürlich seine Zeit.

Wohin können Eltern, die eine Auslandsadoption planen, sich wenden?

Auch wenn eine Auslandsadoption geplant ist, ist der erste Ansprechpartner der zukünftigen Eltern das Jugendamt. Parallel dazu können sie sich allerdings bei freien Trägern für eine Adoption bewerben. Es gibt in Deutschland acht freie Träger, die für die Auslandsadoption zugelassen wurden und staatlich beaufsichtigt werden. Alle arbeiten für Bewerberinnen und Bewerber aus ganz Deutschland, aber vermitteln Adoptionen aus unterschiedlichen Ländern. Das Bewerberpaar sucht sich also zuerst einen passenden Träger und ein passendes Land und wendet sich dann für die Sozialberichterstellung ans örtliche Jugendamt. Jugendamt und freier Träger sind verpflichtet, sich kollegial auszutauschen, dafür muss das Bewerberpaar sie von ihrer Schweigepflicht entbinden.

Welche Voraussetzungen sollten Paare, die eine Adoption planen, mitbringen?

Adoptiveltern sollten bedingungslos lieben können und offen für die Veranlagungen sein, die das Kind mitbringt – auch wenn es andere sind, als man sich erhofft hatte. Adoptivkinder sind keine unbeschriebenen Blätter.

Leider wissen wir vor allem bei Säuglingen selten, was in der Vergangenheit der Kinder und vor allem in der Schwangerschaft passiert ist. Oft steht die Mutter unter großem Stress und hat negative Gedanken bezüglich der Schwangerschaft. Das kann auch Auswirkungen auf das Baby haben. Auch Alkohol- und Drogenmissbrauch kommen leider vor. Je früher das Kind Traumata erlebt (und das kann bereits vorgeburtlich sein), umso nachhaltiger beeinflussen sie die späteren Verhaltensweisen. Die gute Nachricht ist aber: Vorbild und Erziehung der Adoptiveltern beeinflussen auch vieles und helfen dem Kind sehr bei der Verarbeitung und Heilung der Erlebnisse aus der Vergangenheit.

Wichtig ist auch, dass beide Eltern adoptieren möchten und die Entscheidung nicht von einem der Partner forciert wird. Eine gut eingespielte, verlässliche Paarbeziehung ist Grundvoraussetzung dafür, dass Adoption gelingen kann. Die Kinder müssen sich sicher fühlen und geliebt, egal wie sie sich verhalten. Wertschätzende Einbeziehung der leiblichen Familie und der Wurzeln des Kindes gehören ebenso dazu, egal ob man sie kennt oder nicht. Das Kind bleibt für immer ein Teil von ihnen. Bei Auslandsadoption ist es ganz wichtig, dass sich die Eltern im Herkunftsland des Kindes wohlfühlen und dort gerne wieder Urlaube verbringen würden, denn für die Kinder ist ein gelegentlicher Besuch des Herkunftslandes hilfreich und wichtig.

Wie entscheidet ihr, welches Kind zu welchem Elternpaar passt?

Wir als freier Träger und auch Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des Jugendamtes führen intensive Gespräche mit den Bewerberpaaren. Außerdem halten wir verpflichtende Seminare für Bewerberinnen und Bewerber. So lernen wir die potenziellen Adoptiveltern kennen und machen uns ein Bild über die Eigenschaften, die Belastbarkeit, die Hobbies, die Alltagsabläufe, die Familienkonstellationen und so weiter. Außerdem dokumentieren die Familien ihren Alltag und ihre Lebensumstände mit Fotos. Dazu kommt ein Sozialbericht des Jugendamtes, etwa zu Verhaltensmustern und Charaktereigenschaften. Diese Unterlagen gehen dann an das „Matching Team“ im Ausland, zum Abgleich mit den Unterlagen der Kinder, die Eltern brauchen. Ähnliche Vorlieben und Eigenschaften, manchmal auch gewisse äußerliche Ähnlichkeiten, führen zu einem perfekten Matching. Besonders wird in allen Fällen auf die Bedürfnisse des Kindes geachtet – wir finden Eltern für bedürftige Kinder, nicht umgekehrt. Schließlich soll die neue Familie für immer bestehen bleiben können.

Hat das Team im Ausland eine Entscheidung getroffen, kommt der Vorschlag zu uns und wir kontrollieren, ob es passt und alles unseren Vorgaben entspricht. Dann leiten wir ihn weiter an das Landesjugendamt der Bewerberinnen/Bewerber, ihr örtliches Jugendamt und an unser Landesjugendamt, welches unsere Aufsichtsbehörde ist. Erst wenn alle zugestimmt haben, laden wir die Bewerberinnen/Bewerber zum Gespräch ein und übergeben den Kindervorschlag mit allen Details.

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Adoption als alleinerziehendes Elternteil

Kann ich als Alleinerziehende/Alleinerziehender ein Kind adoptieren/ein Pflegekind aufnehmen?

In Deutschland ja, im Ausland nur bedingt und auf Anfrage. Das kommt ganz auf die Vorgaben und oft auch auf die religiöse oder spirituelle Prägung des jeweiligen Landes an. Das gleiche gilt auch für gleichgeschlechtliche Paare, für die leider jedoch noch weniger Länder möglich sind. Für Pflegekinder hier in Deutschland können sich jedoch sowohl Alleinerziehende als auch gleichgeschlechtliche Paare bewerben.

Checkliste für potentielle Adoptiveltern

Und zum Abschluss: Was würdest Du Paaren, die eine Adoption planen auf ihren Weg mitgeben?

Familien, die über eine Adoption nachdenken, würde ich gern folgende Checkliste mitgeben:

  • Beschäftigt euch immer mal wieder mit möglichen Situationen von Müttern, die ihr Kind zur Adoption geben. Warum tun sie das? Wie schwer fällt es ihnen wohl? Wie würdet ihr ihnen persönlich begegnen wollen? Was würdet ihr fragen wollen?

  • Schreibt einen fiktiven Brief an die Mutter eures künftigen Kindes. Das hilft dabei, die Grundlage für ein besseres Verständnis des Kindes zu legen und schärft Verständnis und Empathie für die leibliche Familie.

  • Seid euch bewusst, dass euer Kind – egal wie klein – eine eigene Persönlichkeit ist, die man nicht formatieren kann.

  • Gebt dem Kind die Chance, sich frei zu entfalten.

  • Wählt im Fall einer Auslandsadoption sorgfältig ein Herkunftsland, in dem ihr euch wohl fühlt und das ihr gern besucht. Es bleibt lebenslang Teil eures Lebens.

  • Pflegt eure Paarbeziehung und mutiert nicht ausschließlich zu Mama und Papa, schafft euch Kraftquellen. Ehrlichkeit und Vertrauen tragen euch durch wichtige Entscheidungen. Zieht an einem Strang, lasst euch nicht instrumentalisieren, seid liebevoll konsequent.

  • Arbeitet an eurer Unverletzlichkeit, denn ihr werdet euch viele sehr verletzende Aussprüche des Kindes anhören müssen. Die gelten nicht wirklich euch, sondern verarbeiten die innere Wut auf die Entscheidungen der leiblichen Eltern und sind Ausdruck von Ohnmacht und Hilflosigkeit.

  • Bleibt humorvoll und cool und bezieht immer mal die Wurzeln und das Herkunftsland wertschätzend in Alltagsgespräche ein.

  • Vernetzt euch mit anderen Adoptivfamilien, das hilft euch und vor allem auch den Kindern.

Vielen Dank an Berit Haas für das Gespräch und den Einblick in die Arbeit einer Adoptions-Vermittlungsstelle. Ob Adoption oder Pflegeelternschaft eine Option für Dich und Deine Familie ist, ist eine Entscheidung, die gut überlegt sein will. Scheue Dich nicht, dir Hilfe zu suchen und Fragen zu stellen. Dafür sind die Fachkräfte bei Adoptionsvermittlungsstellen und Jugendamt da! So bekommst Du Sicherheit und Vertrauen in die Entwicklung eures ganz individuellen Familienlebens. Wir wünschen euch viel Glück dabei!

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